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Steckbrief Tiftlingerode

 

Ortsteil der Stadt Duderstadt, Landkreis Göttingen

 

Namensherkunft: Rodesiedlung der Leute des Thiedolf (Casemir u.a., S. 393)
Ersterwähnung: 1141 „Thedolwingerode„ (UB Mainz II Nr. 28 S. 49 – Wojtowytsch, Myron: GM 1985, S. 102 ff.)
Mundartform: Tiflingero
Spitzname: Hülelü, Ossenmeleker, Heunrewieme
Ortschaftsform: Haufendorf
Höhenlage: Ca. 180 m über NN
Einwohner: 873 (11/2021)
Gemarkung: Ca. 325 ha
Wappen:

 

 

 

In Blau eine wachsende Bischofsfigur, die in der rechten Hand ein geschlossenes blaues Buch mit silbernem Schnitt, auf dem drei rote Äpfel liegen, und in der linken Hand einen mit Krümmung nach innen gekehrten goldenen Bischofsstab hält. Obergewand und Mitra in Gold, Gesicht und Hände in Silber. (Genehmigung Nds. MI 11.04.1951).

St. Nikolaus ist der Kirchenpatron der Gemeinde Tiftlingerode.

Entwurf: Grafiker und Maler Fritz Reimann, Fuhrbach, 1950.

Gewässer: Muse, Salmke.
Baudenkmal: Alter Kirchplatz, Bildstock (1786), Fachwerkhäuser Tiftlingeröder Str. 16 und Musestr. 15
Kirche: „St. Nikolaus„ (kath.), ursprüngl. vorromanische Wehrkirche 10./11. Jahrhundert, 1687 Neubau (Abbruch 1983), 1980 Neubau (modern an anderer Stelle).
Sakrale Kunst: Nikolausstatue (barock ca. 1750), Kruzifix (Mitte 16. Jhdt.), Strahlenkranzmadonna (1957/58), Herz-Jesu-Figur und Kreuzweg (modern geschnitzt).
Sonstiges: Wegekreuz (1887), 2 Mahnkreuze für die ehem. Kapläne Joseph Müller und Heinrich Kötter.
Literatur: Wagner, Dieter: Tiftlingerode von der Ersterwähnung bis zur Gegenwart, 1987 (unveröffentlichtes Manuskript – Bibliothek des Stadtarchivs Duderstadt)

Oberthür, Wolfgang: Der Schamester, 3 Bde., Duderstadt 2001, 2001, 2002

Diederich, Mario: Tiftlingerode – Ein Dorf und seine Menschen auf ihrer Reise durch die Zeit (2 Bände), Göttingen 2004

Herausgeber Ortsrat Tiftlingerode: Tiftlingerode – Ein lebendiges Dorf und seine Menschen reisen weiter durch die Zeit, Göttingen 2018

 

Tiftlingerode wurde erstmals am 8. November 1141 erwähnt. Damals verlieh der Graf Siegfried IV. von Boyneburg dem Benediktinerkloster Northeim verschiedene Rechte und bestätigte darüber hinaus aufgeführten Besitz. In der Reihe der Besitztümer wird hier ein Hof in    ,,Theodolwingerothe” genannt. Die Absicht, die damit verfolgt wurde, war offensichtlich, das Kloster Northeim vor Ansprüchen des Erzbischofs von Mainz und vor Übergriffen des Grafen von Dassel zu schützen.

Der Wandel von Theodolwingerothe zu Tiftlingerode ist zwar sprach- wissentschaftlich nicht regelrecht, doch ist so ein Namenssprung nicht völlig ungewöhnlich. Professor Dr. Ulrich Scheuermann vom Institut für Historische Landesforschung an der Universität Göttingen, der als Beabeiter des niedersächsischen Wörterbuches wohl der führende Experte auf dem Gebiet niedersächsischer Namensforschung ist, kommt ebenfalls zu dem unmißverständlichen Urteil, daß es sich bei  ,,Theodolwingerothe” um die ältere Namensform für Tiftlingerode handelt.Das alte Kriegerdenkmal

Die Lage Tiftlingerodes in der Nähe Duderstadts hatte sicher seine Vorteile für den Ort, gab doch die Stadt in Kriegszeiten einen gewissen Schutz, gewährte seinen Bewohnern freien Zutritt und gab ihnen Anteil an den Gütern der Bürger und des Rates(Holz, Feld, Wasser, Weide) was sich die letzteren dann Acker- und Handdiensten, sowie durch Lieferung von je 1 oder 1/2 Malter Hafer zwischen Michaelis und Martini bezahlen ließen. (Joh. Barckefeldt, Duderstadt-Chronik, Hersg. Julius Jaeger, Druck und Verlag, Mecke, Duderstadt, S.51-53).

Sicher hat die stadtnahe Lage aber auch ihre Nachteile gehabt, da die Söldner in Kriegszeiten, wenn sie die Stadt belagerten, wie es damalls üblich war, am nächsten wohnten. Im übrigen hatten sie Freud und Leid, die durch die politischen Umstände hervorgerufen wurden, mit den benachbarten Duderstädtern zu teilen. So war es ganz besonders zur Zeit des 30jährigen Krieges. Im Mai des Jahres 1622 nahm Christian von Braunschweig, damals 23 Jahre alt, seinen Durchzug durch das Eichsfeld. Mit 17 Jahren war er vom protestantischen Domkapitel zu Halberstadt zum lutherischen Bischof gewählt worden. Da der Kaiser seineWahl aber nicht bestätigte, wurde er mit unversöhnlichen Haß gegen den Habsburger erfüllt. Er warb 10.000 Söldner an, um gegen den Kaiser und alle zu ihm haltenden Fürsten zu kämpfen. Unter seinen Kriegszügen hatte die Bevölkerung entsetzlich zu leiden. Wegen seiner vielen Freveltaten nannte man ihn bald nur noch ,,den tollen Christian”. Von Westfalen aus zog er ins Eichsfeld. Über Catlenburg ging es nach Seeburg, wo er mit seinem Stabe übernachtete. Die Söldner dagegen überfluteten das mittlere und westliche Untereichsfeld. Auch in Tiftlingerode lag ein Regiment.

Seine Kriegsscharen wüteten schrecklich, raubten, brannten, mordeten, schändeten Frauen und Jungfrauen. Sicher werden die Tiftlingeröder dabei ebenso wenig verschont worden sein wie die anderen eichsfeldischen Dörfer. Trotz der Niederlage bei Höchst war Christian im Juli 1623 schon wieder im Eichsfeld und wütete hier noch schlimmer als zuvor. Im Jahre 1626 wurde er durch Wallensteinsche Scharen vertrieben und verstarb wenige Wochen darauf, am 26.Juli 1626. Das Eichfeld war durch ihn völlig verarmt und ruiniert. (Eichsfelder Heimat-Kalender 1914, 4.Jg., Druck und Verlag Hövener, Duderstadt S.58-62).

Noch eine andere Plage hatten unsere Vorfahren zu erleiden in dieser Zeit, das war die Pest. Vom 17 .6.1682 berichtet die Duderstädter Chronik darüber, wie man es mit der Pflege der Krankenmachen wollte, damit diese schlimme Krankheit nicht wieder um sich griffe. (Joh. Barckefeldt, Duderstadt- Chronik, Hrsg.J.Jaeger, Druck und Verlag Mecke, Duderstadt S.170).

Auch Tiftlingerode ist, das dürfen wir sicher annehmen, nicht davon verschont gewesen.
Im 16. Jahrhundert soll sich an derselben Stelle, wo früher die Kirche stand, ein bescheidenes Kapellchen befunden haben. Sicher ist dieses, wie damals die meisten Kirchen, im 30jährigen Krieg ein Opfer der Zerstörung geworden. Über dem Seitenportal unserer Kirche war die Jahreszahl 1687 eingemeißelt. Vermutlich wurde in diesem Jahre hier die erste feste Kapelle gebaut. Sie hatte quadratische Form und bildete den Mittelteil der Kirche. Die zweite Jahreszahl befand sich an der Ostseite. Dort stand “Anno 1755”. Der Chorraum ist   demnach zu diesm Zeitpunkt davorgebaut worden. An dem ältesten Teil der Kirche fand man eine Sonnenuhr, an der die Bewohner damlas ihre Zeit ablesen konnten, – sofern die Sonne gerade schien.

Die alte Kirche

 

Tiftlingerode war aber trotzdem noch keine eigenständige Pfarrei. Die Bewohner mußten nach Duderstadt zu Gottesdienst gehen. Ihr Aufenthalt war das heute noch so genannte “Tiftlingeröder Schiff”. wiederholt stellten sie Bittgesuche um Einführung eines ständigen Sonn- und Feiertagsgottesdienstes; diese wurden jedoch zunächst abschlägig beschieden. Bis 1830 kam nur achtmal im Jahr ein Priester nach Tiftlingerode, um hier die heilige Messe zu feiern. Dann erst erhielt es zur ständigen Betreuung einen Duderstädter Kaplan und wurde damit ein Filialdorf von Duderstadt. Bald erwies sich, daß die Kapelle zu klein war. Darum wurde sie 1867 erweitert. Der Westteil wurde angebaut und mit einem Turm versehen, im Osten besaß die Kirche einen kleinen Dachreiter. Die Witterung muß dem Sandstein des älteren Bauteils sehr zugesetzt haben, so daß man die entstandenen Vertiefungen mit Mörtel ausstrich, während der neue Bauteil keinen Verputz aufweist.

Nicht lange durften sich die Tiftlingeröder zunächst an ihrer Kirche freuen. Ein orkanartiger Sturm, der 1867 in ganz Norddeutschlöand wütete, riß nämlich den Kirchturm um. Schon 1869 wurde ein neuer Turm gebaut. Das Jahr 1872 bracht Tiftlingerode ein besonders großes Unglück. von der Schmiede aus verbreitete sich ein Großfeuer, das durch die Westwinde auf die Kirche zugetrieben wurde. Eine knappe Stunde nach dem Feuerruf brannten schon die   beiden Kirchtürme. In der Feuersäule schmolzen die Glocken, und die Türme stürzten zusammen. Innerhalb von zwei Stunden waren außer der Schmiede und der Kirche die Schule, 10 Wohnhäuser, 13 Scheunen und ebenso viele Stallungen in glühende Schutthaufen verwandelt und das trotz des aufopfernden Einsatzes aller Dorfbewohner und vieler Nachbarorte. (Eichsfelder Heimat- Kalender 1914, 4.Jg. Druck und Verlag Hövener, Duderstadt S. 63 – 64).

In dem darauffolgenden Jahr, also bereits 1873, wurde die Kirche wieder neu aufgebaut. Die Barockstatue des heiligen Nikolaus war vor den Flammen gerettet worden und St. Nikolausschmückt heute den Hochaltar. Die alte Kirche wird sicher sehr schön gewesen sein, das läßt die Figur des Heiligen uns erahnen. Zum dritten mal wurde der Turm 1912 beschädigt, als der Blitz hier einschlug. Daraufhin brachte man einen Blitzableiter an.

Eine eigen Erwähnung verdient noch das Schulwesen. 1723 erhielten die Kinder, die bis dahin nach Duderstadt zur Schule mußten, eine eigene Schule. Ihr Dach war mit Stroh gedeckt, wie damals alle Häuser im Dorfe. Man kann sich denken, wie gefährdet der Ort war wenn ein Feuer ausbrach. Darum wurde alljährlich seit 1726 vom Schultheiß und zwei Gemeindemitgliedern geprüft, ob der Kachelofen und der Rauchfang in Ordnung waren, und ob die Pfeifenraucher auch alle einen Deckel auf  ihrer Pfeife hatten. Nach dem großen Brande 1872 mußten die Kinder ein Jahr lang auf dem Tanzsaal der damaligen Kellnerschen Wirtschaft unterrichtet werden, bis die Schule wieder aufgebaut war.

Die erste Schule befand sich auf dem heutigen Gehöft der Witwe Maria Sondermann. Der erste Lehrer soll, außer in dem Beruf des Schulmeisters, noch als Schneider tätig gewesen sein. Die zweite Schule war  im Garten des Landwirts Karl Heise, die dritte im Hause des Maurers Hermann Dornieden, dessen Gebäude noch heute im Volksmund “die alte Schule” genannt wird.

Im Winter 1949/50 wurde die zweiklassige Volksschule erbaut. Diese erwies sich jedoch bald als zu klein, so daß 1968 eine neue Schule durch den damaligen Oberkreisdirektor Walter Thöne der Bestimmung übergeben wurde. Die Gemeinde musste tief in die Tasche greifen, um dieses Objekt finanzieren zu können. Über 700.000 DM waren aufzubringen. Nach der Zuweisung der Immingeröder Schüler 1972 wurden über 100 Schüler unterrichtet.

Einen großen Schritt in Richtung Zukunft setzte der damalige Gemeinderat im Jahre 1969, als er den Beschluß faßte, eine Vollkanalisation im Ort zu bauen. Mit erheblichen Zuschüssen wurde dieses große Projekt mit einem Kostenaufwand von 3,2 MIllionen Mark realisiert. Nach dieser Meisterleistung entschloß sich der Gemeinderat, alle Straßen des Ortes auszubauen. Tiftlingerode verfügte sodann über ein vorzügliches Straßennetz.

1972 wurde der Tiftlingeröder Sportplatz für 120.000 Mark renoviert. Zugleich entstand der Jugendplatz. Vor allem waren es Karl Burchard, Richard Wüstefeld und Norbert Werner, die sportliche Akzente im Dorf setzten. Die kirchliche Weihe der neuen Anlage nahm Pfarrer Josef  Engelmeier am 4.August 1974 vor.

Die von der SPD-Landesregierung 1970 durchgesetzte Gebietsreform ergab, daß ab 1.Januar 1970 eine Samtgemeinde Duderstadt gebildet wurde, der Tiftlingerode beitrat. Schicksalhaft war dann die Gründung der Einheitsgemeinde. Tiftlingerode verlor seine Selbstständigkeit, der heute noch nachgetrauert wird. Der Ortsrat erhielt nur geringe Kompetenzen. Richard Wüstefeld wurde1973 zum Ortsbürgermeister gewählt. Weiter gehörten dem Rat an: Karl Burchard, stellvertretender Ortsbürgermeister, Gerd Goebel, CDU-Fraktionsvorsitzender, Johannes Werner, Hans-Josef Werner, Karl-Heinz Koch, Josef Zwingmann, Anton Bernhard und Jürgen Eggert. Damals wurde auch Richard Wüstefeld in den Stadtrat Gewählt.

Auf Initative von Gerd Goebel wurde 1974 der Pferdebergausschuss gebildet, dem Orte Immingerode, Gerblingerode, Tiftlingerode und später auch Duderstadt beitraten.

1975baute die Stadt auf Anregung des Ortsrates die alte Schule zu einem Bürgerhaus um. Sie diente nunmehr den Vereinen als Versammlungsraum, aber auch Familien nutzen die Räumlichkeiten für private Feiern.

1979/1980 wurde die Umgehungstraße und zugleich die Kreisstraße von Tiftlingerode nach Immingerode und Duderstadt gebaut. Drei Millionen Mark kostete das Projekt.

Infolge einer schweren Krankheit gab Richard Wüstefeld sein Amt als Ortsbürgermeister im Jahre 1979 zurück. Am 18.Oktober 1979 wurde Gerd Goebel zu seinem Nachfolger gewählt.

Herausragende Ereignisse 1980 in Tiftlingerode: Am 11.August besuchte der seinerzeit amtierende Ministerpräsident Niedersachsens, Wilfried Hasselmann, die Gemeinde. Am 20. September wurden die neue Kirche und das Pfarrzentrum von Bischof Heinrich Maria Janssen der Bestimmung übergeben. Darüber hinaus besuchte Bundespräsident Karl Carstens die Gemeinde.

In den folgenden Jahren erlebte Tiftlingerode eine Blütezeit: Drei Brücken entstanden über die Muse. Der Ort wurde ans Gasnetz  angeschlossen, drei Radfahrwege nach Duderstadt (zwei) und nach Immingerode entstanden, eine Gymnastikhalle wurde gebaut und nach Abbruch der alten Kirche der Platz neu gestaltet.

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